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Hoden entwickelte sich rascher als Gehirn
Baku, den 20. Oktober (AZERTAG). Es war eines der gewaltigsten Großprojekte der Forschung: die Entzifferung des menschlichen Genoms. Seither haben Wissenschaftler die Liste der entzifferten Organismen in raschen Schritten erweitert - der Katalog mit den Bauplänen des Lebens wächst und wächst. Doch dieser ist nur ein Teil der Wahrheit.
Mensch und Orang-Utan etwa sind Verwandte mit unterschiedlicher Anatomie und Verhalten. Genetisch gesehen, ist unser Erbgut aber nahezu mit dem des Orang-Utans identisch: zu 97 Prozent ist die Abfolge der Bausteine im Genom gleich.
Um zu verstehen, wie die Evolution der Arten vonstatten gegangen ist, haben Forscher deshalb ihren genetischen Blick geschärft: Anstatt nur die bloße Abfolge der DNA-Bausteine zu untersuchen, gehen Genforscher seit einiger Zeit einen Schritt weiter und analysieren die Aktivität der einzelnen Gene in verschiedenen Gewebetypen. Denn diese spielt eine immense Rolle in einer Zelle: Je aktiver ein Gen ist, desto mehr Eiweiß stellt die zelluläre Maschinerie aus diesem DNA-Bauplan her - was weitreichende Folgen für die Funktionsweise der Zelle hat.
Erstmals haben Forscher jetzt verglichen, welche Gene in verschiedenen Organen von neun Säugetier-Arten aktiv sind. Die Resultate, die Henrik Kaessmann von der Universität Lausanne und des Schweizerischen Institut für Bioinformatik zusammen mit einem internationalen Team im Wissenschaftsjournal „Nature“ veröffentlicht hat, lassen Rückschlüsse darauf zu, wie sich Organe im Laufe der Evolution entwickelt haben: Das Säugetier-Gehirn etwa, das hat die Auswertung der genetischen Daten ergeben, hat sich nur langsam entwickelt. Die Hoden dagegen haben eine rasante Entwicklung gemacht.