GESELLSCHAFT
Krank durch Fleisch
Multiresistente Keime gibt es nicht nur in Krankenhäusern. Auch in der Landwirtschaft hat sich ein Keim entwickelt, der Mensch und Tier infiziert. Gefährlich wird es, wenn die Keime aus Stall und Klinikum zusammenkommen.
Mit Sorge beobachten Wissenschaftler nun, dass sich die sogenannten methycillinresistenten Staphylokokken, kurz MRSA, seit ein paar Monaten auch bei Schweinen, Rindern und Geflügel ausbreiten. 2004 wurde der MRSA-Stamm ST398 zum ersten Mal in den Niederlanden und im Münsterland entdeckt. Die Experten vermuten, dass er durch eine MutationSpontan entschiedene oder künstlich herbeigeführte Veränderung der Erbanlage in einem Schweinestall entstanden ist.
Das ist solange unproblematisch, wie der Mensch gesund ist und sich nicht in ein Krankenhaus begibt. In den Kliniken können die bis dahin harmlosen Besiedler ihre Träger aber nach einer Operation oder einer Transplantation ernsthaft gefährden. Auf Intensivstationen sind sogar vereinzelt Erreger auf andere immungeschwächte Patienten übergegangen. So ist zu erklären, dass einer Untersuchung zufolge 17,1 Prozent der MRSA-Infektionen in Krankenhäusern auf diesen tierischen Stamm zurückgehen.
Tenhagen berichtet von zwei Fällen, in denen geschwächte Personen an einer Infektion mit jenem MRSA ST398 gestorben sind. Man vermutet jedoch, dass sie sich nicht über Lebensmittel infizierten, sondern unmittelbar über ein lebendes Tier. Laut Georg Peters, Infektionsforscher vom Institut für medizinische Mikrobiologie der Universität Münster, sind 23 Prozent aller deutschen Schweinebauern MRSA-positiv. Auch Tierärzte und Schlachter stecken sich häufig mit dem Erreger an. Die Experten glauben, dass die Bakterien im direkten Kontakt mit den Tieren übertragen werden.
Das BfR sowie die Landesbehörden erheben zurzeit, wie stark Fleisch und Milch mit den widerstandsfähigen Bakterien belastet sind. Einer Untersuchung aus den Niederlanden zufolge sind die MRSA, wenn auch in geringer Zahl, in rohem Fleisch der Tiere zu finden. Tenhagen geht aber davon aus, dass diese Menge nicht ausreicht, um dem Konsumenten gefährlich zu werden. Dennoch rät seine Behörde dazu, Tiere und rohes Fleisch nicht mit dem Mund zu berühren und die Hände nach dem Kontakt gründlich mit Seife zu waschen.
Doch die Fachleute sind in Sorge, wenn der MRSA-Stamm aus dem Stall im Krankenhaus mit anderen Erregern zum Superkeim mutiert. Dadurch könnte er schwerer behandelbar und vor allem gefährlicher und ansteckender werden. «Wenn dieser Keim sich zum Beispiel mit dem MRSA USA300 mischt, dann haben wir ein großes Problem», führt Peters aus. In Deutschland gehen drei Prozent aller MRSA-Infektionen auf sein Konto.
Gegen den Bakterienstamm greifen nur noch besondere Reserveantibiotika, die es nicht in Apotheken gibt, die aber vor allem auch nicht immer wirken und schlecht vertragen werden. Noch dazu setzt MRSA USA 300 ein spezielles Gift frei. Dieses führt meist zu einer schweren Lungenentzündung, die bei jungen Menschen in knapp der Hälfte der Fälle tödlich verlief.