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Mäuse werden mit menschlichen Hirnzellen klüger
Baku, den 11. März (AZERTAG). Forscher haben Nagetieren menschliche Zellen ins Gehirn gespritzt. Den Mäusen hat es geholfen, sie waren hinterher klüger und konnten sich besser erinnern. Das Experiment wirft ethische Fragen auf.
Astrozyten, Zellen mit vielen verzweigten Ausläufern, gehören zu den Gliazellen des Gehirns. Sie ziehen Nährstoffe aus dem Blut, die die Neuronen dann aufnehmen, reinigen das Milieu von Stoffen, die für die Nervenzellen schädlich sein könnten - und sorgen dafür, dass die Neuronen sich wohlfühlen. Astrozyten sind sozusagen die großen Helfer der Neuronen. Ohne sie würde das Hirn nicht funktionieren.
Nun haben amerikanische Forscher um Steve Goldman, Maiken Nedergaard und Xiaoning Han vom Medical Center der University of Rochester menschliche Astrozyten in die Gehirne neugeborener Mäuse implantiert. Im Journal „Cell Stem Cell“ berichten die Forscher, dass die Mäuse daraufhin klüger waren als Mäuse ohne die Hilfszellen aus dem menschlichen Hirn.
„Wir haben menschliche Vorläuferzellen dieser Gliazellen in das Gehirn neugeborener Mäuse implantiert und gewartet, bis die Tiere ausgewachsen waren“, sagt Goldman. Dann untersuchten die Forscher die physiologischen Vorgänge im Gehirn und das Verhalten der Tiere.
Auf der molekularen Ebene funktionierten die menschlichen Astrozyten im Gehirn der Mäuse genauso, wie es die Astrozyten der Tiere selbst taten. Die Signale in den Nervenzellen aber wurden durch die menschlichen Helferzellen verstärkt.
Therapien gegen Schizophrenie und Huntington - Zudem lösten die Versuchstiere schneller Aufgaben als ihre normalen Artgenossen. Sie konnten besser auf gelerntes Wissen zurückgreifen und schneller zielorientiert handeln. Offenbar förderten die menschlichen Astrozyten die Klugheit der Mäuse. „Die Evolution des menschlichen Bewusstseins geht daher höchstwahrscheinlich auch auf die Weiterentwicklung dieser Beizellen des Gehirns zurück“, so die Forscher. Sie wollen mit ihren Experimenten Krankheiten wie Schizophrenie oder Huntington heilen helfen.
Die Experimente werfen ethische Fragen auf. Denn die von den Forschern aus Rochester gezüchteten Tiere sind ein Mix aus menschlichen und tierischen Zellen, sogenannte Chimären. Es gibt viele Versuche, bei denen Mensch-Tier-Chimären gezüchtet wurden, allerdings waren die menschlichen Gewebe bei solchen Tieren in der Regel Haut-, Bindegewebs- oder Bauchspeicheldrüsenzellen.
Ethische Fragen - Im Jahr 2005 sorgte dann Irving Weissman von der Stanford University für Aufsehen, weil er ankündigte, Mäuse mit einem vollständig menschlichen Gehirn züchten zu wollen. Es stellt sich die Frage, als was solche, bisher noch nicht existierenden Mäuse dann betrachten werden sollten - als Mäuse oder als Menschen im Mäusepelz.
An solche ethisch heiklen Versuchen sind die Wissenschaftler der University of Rochester bislang nicht interessiert. Sie wollen mit ihren Experimenten Patienten mit Schizophrenie oder der Huntington-Krankheit helfen.
Zudem betonen Forscher immer wieder, dass auch eine Maus mit kompletten Menschengehirn kein Mensch sei: ihr Gehirn sei viel zu klein, um zu komplexen Leistungen wie das menschliche Denkorgan fähig zu sein.