WISSENSCHAFT UND BILDUNG
Russischer Raumfahrtchef glaubt an Verschwörung
Baku, den 10. Januar (AZERTAG). Die russische Raumfahrtagentur Roskomos steht unter Druck - sie muss zahlreiche Abstürze erklären. Jetzt hat der Chef der Behörde eine neue Theorie für die Pannenserie: „Einwirkung von außen“.
Abgestürzte Satelliten, fehlgezündete Raketen, eine gescheiterte Marsmission: Fünf Fehlschläge musste die russische Raumfahrtagentur in den letzten Monaten bei 32 Starts hinnehmen. So stürzten im August und Dezember Sojus-Raketen wegen Triebwerkschäden ab. Im Februar, August und November erreichten Satelliten wegen Problemen mit den Oberstufen nicht ihre geplante Umlaufbahn. Und die Sonde „Phobos-Grunt trudelt Richtung Erde, anstatt Richtung Mars zu fliegen. Der 13,5 Tonnen schwere Koloss soll nach jüngsten Berechnungen am 15. Januar abstürzen.
Der Chef der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos, Wladimir Popowkin, hat nun eine erstaunliche Theorie. Er schließt nicht aus, dass die Fehlstarts im vergangenen Jahr durch technische Störungen von außen verursacht wurden. „Man wolle niemanden beschuldigen, aber es gibt heute sehr starke Mittel, um auf kosmische Apparate einzuwirken“, zitiert der Moskauer Online-Dienst „Nowosti Kosmonawtiki“ am Dienstag Popowkin aus einem Interview der Zeitung „Iswestija“.
Popowkin betonte, es gebe bislang noch keine Klarheit darüber, warum die Marschtriebwerke der Sonde Phobos-Grunt für den Weiterflug zum Mars nicht gezündet haben. Unverständlich seien auch die „häufigen Ausfälle bei unseren Apparaten“, wenn sie sich im Funkschatten befänden, so dass die russische Seite den Apparat nicht sehen und von ihm auch keine telemetrischen Daten empfangen könne.
In Russland hat längst die Aufarbeitung der Ursachen der Unfälle begonnen - Roskosmos steht unter Druck. Der Vizepremier des Landes Dmitri Rogosin verlangte von der Raumfahrtagentur bis zum 25. Januar einen Bericht über die Gründe für die jüngsten Fehlschläge. Sie müsse auch konkrete Maßnahmen zur Beseitigung der Schieflage in der russischen Raumfahrtbranche enthalten, sagte Rogosin. Zudem müsse Roskosmos-Chef Popowkin innerhalb von 50 Tagen einen Plan für die Entwicklung der Branche bis zum Jahr 2030 vorlegen.
Zugleich forderte der Politiker, dass alle Sicherheitsmängel in der Raumfahrt bis Ende Januar beseitigt werden. Nötig seien standardisierte Überprüfungen der Sicherheit von strategischen Objekten. Rogosin kündigte auch Strafen für den Fall neuer Pannen an.
Popowkin, der erst seit Mai im Amt ist, muss sich damit zum zweiten Mal in diesem Jahr für die Misere in der russischen Raumfahrt verantworten. Bereits Anfang Oktober wurde er nach dem Verlust eines Erdvermessungs- und eines Kommunikationssatelliten sowie eines Frachtraumschiffs vor einen Ausschuss der Staatsduma zitiert. Der Roskosmos-Chef sah bislang im Mangel an Facharbeitern einen der Hauptgründe für die derzeitige Krise.
Nach Angaben des Online-Diensts „Nowosti Kosmonawtiki“ belegte Russland 2011 mit 32 Raketenstarts den weltweit ersten Platz. Auf dem zweiten Platz rangiere erstmals China mit 19 Starts vor den USA mit 18 Starts. Beide Nationen hatten 2011 je einen Fehlstart zu melden. Rogosin, der bislang sein Land als Botschafter bei der Nato vertreten hatte, wurde erst vor wenigen Tagen von Ministerpräsident Wladimir Putin zu dessen Vize ernannt. Er verantwortet den militärisch-industriellen Komplex.