Sonne läuft für einige Jahrtausende runder als üblich

Baku, 15. Januar, AZERTAC
Die nächste Eiszeit kommt bestimmt - der Lauf der Erde um die Sonne schien diese Entwicklung vorzuschreiben. Doch die Treibhausgase des Menschen dürften eine neue Epoche einleiten.
Dass weite Teile Europas nicht schon wieder unter dickem Eispanzer liegen, ist einem Glücksfall zu verdanken. Die Bahn der Erde um die Sonne läuft für einige Jahrtausende runder als üblich, sodass sich unser Planet nicht so weit von seiner Wärmequelle entfernt.
In 50.000 Jahren aber sollte es wieder so weit sein. Die Erdbahn dehnt sich, wird ovaler, sodass es kälter werden sollte. Eigentlich.
Doch soweit wird es einer neuen Studie zufolge nicht kommen. Der Mensch, so zeigen es Klimasimulationen, dürfte mit seinen Abgasen die Abkühlung, mithin die nächste Eiszeit, verhindern.
Es wäre das erste Mal seit Beginn des Eiszeitalters vor knapp drei Millionen Jahren, dass der planetare Klimazyklus aus dem Rhythmus geriete: Wie der Trommler einer Kapelle den Rhythmus angibt, gaben die Änderungen der Erdbahn um die Sonne stets einen vorhersagbaren Wechsel aus langen Eiszeiten und kürzeren Warmphasen vor.
Zum Höhepunkt der letzten Eiszeit vor 20.000 Jahren standen Hunderte Meter hohe Eispanzer bis zu einer Linie Hamburg-Berlin. Aber bereits 2000 Jahre nach Ende der Eiszeit vor 10.000 Jahren begann der Mensch, den Klimarhythmus zu stören.
Die Abgase von Buschbränden, die unsere Vorfahren legten, hätten den Treibhauseffekt schon entscheidend geschürt, hat der Klimaforscher William Ruddiman von der University of Virginia bereits vor 13 Jahren herausgefunden.
Seit dem 18. Jahrhundert aber sorgte die Industrialisierung für eine noch deutlichere Erwärmung: Treibhausgase, die Wärme in der Luft zurückhalten, hatten großen Anteil daran, dass sich das Klima seither um ein Grad erwärmt hat. Der Trend hält an: Weil eine radikale Abkehr von Kohle, Öl und Gas unwahrscheinlich scheint, sagen Klimaforscher einen erheblichen Temperaturanstieg vorher.
Dass der Effekt der menschengemachten Treibhausgase Zehntausende Jahre anhalten könnte, hatten Studien bereits gezeigt. Ursache der Langzeitwirkung ist die lange Verweildauer von Kohlendioxid (CO2) in der Luft - es dauert, bis der Stoff gebunden wird.
Die neue Studie präsentiert drei Szenarien: Die bereits in die Luft geblasene Menge von CO2 würde die Gletschermasse zum nächsten Eiszeittermin in 50.000 Jahren um etwa ein Fünftel geringer ausfallen lassen, berichten Andrey Ganopolski, Ricarda Winkelmann und Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung PIK im Wissenschaftsmagazin "Nature".
Würde die Menschheit noch mal so viel Treibhausgase verfeuern wie bisher, schwöllen die Gletscher in 50.000 Jahren nur halb so stark wie ohne die Treibhausgase, schreiben die Forscher. Die dreifache CO2-Menge würde dazu führen, dass zum eigentlichen Eiszeithöhepunkt sogar kaum Gletscher wüchsen, haben die Klimatologen berechnet.
Das gebremste Eiswachstum hätte Auswirkungen auf die ganze Welt: Wie Spiegel schicken Eismassen Sonnenstrahlung zurück ins All. Es bleibt folglich weniger Wärme in der Luft. Eine Kettenreaktion kommt in Gang: Je kleiner die Gletscher, desto wärmer die Welt - und je wärmer die Welt, desto stärker wiederum schrumpfen die Gletscher.
"Unsere Studie zeigt, dass bereits moderate zusätzliche CO2-Emissionen ausreichen, um die nächste Eiszeit um 50.000 Jahre zu verschieben", resümiert Ganopolski.
Erstmals im Eiszeitalter würde die Welt für mehr als 100.000 Jahre in einer Warmzeit verharren. Der Mensch führe demnach eine neue geologische Epoche herbei, meint Schellnhuber: "Man könnte sie mit dem Namen Deglazial überschreiben."
Schwächen der Prognose - Aber kann man der Prognose trauen?
Vertrauen ziehen die Forscher daraus, dass ihr Klimamodell, mit dem sie die Zukunft berechnen, die Vergangenheit passabel nachgebildet habe - vor allem die Warmzeit vor 400.000 Jahren: Damals glich die Bahn der Erde um die Sonne der heutigen Konstellation.
Die Potsdamer Forscher berechneten für die kommenden Jahrzehntausende die Entwicklung von vor 400.000 Jahren - und fügten die Wirkung der menschengemachten Treibhausgase hinzu. Wie stark der Treibhauseffekt aber eigentlich wirkt, ist umstritten.
Die Rechnungen ignorierten zudem bedeutende Wechselwirkungen in der Natur, wie beispielsweise den Kreislauf von Kohlenstoff, sagt Eduardo Zorita vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht, der das Klima der Vergangenheit erforscht. "Es ist eine interessante Studie, sie bestätigt ältere Arbeiten, aber sie kann die Realität nicht abbilden", sagt Zorita.
Pointe des Klimawandels - Eine exakte Klimavorhersage sei die neue Studie nicht, meint auch Jerry McManus von der Columbia University in den USA. Die Hauptaussage der unterdrückten Eiszeit aber sei plausibel, das Ergebnis gar "ein bedeutender Schritt vorwärts".
Die Menschheit schüfe demnach eine Art Klimawandel-Pointe. Zwar sagen Forscher aufgrund des starken Treibhausgasausstoßes negative Umweltfolgen für die kommenden Jahrhunderte voraus. Eine andere Klimakatastrophe in der ferneren Zukunft aber würde die Menschheit vermeiden: die gefährliche Eiszeit.