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Staatskrise in Südafrika
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Baku, 16. Mai, AZERTAC
Pravin Gordhan, der amtierende Finanzminister von Südafrika, steht seit Langem unter Druck: Die Hawks ("Falken"), Südafrikas Polizei-Sonderkommission gegen das organisierte Verbrechen, ermitteln seit mehr als einem Jahr gegen den Politiker. Jetzt, berichten südafrikanische Medien, hätten sie bei der Staatsanwaltschaft Haftbefehle gegen Gordhan und acht seiner früheren Mitarbeiter beantragt - wegen Spionage.
Der Vorwurf ist bereits seit 2014 bekannt. Gordhan soll in seiner Zeit als Chef der südafrikanischen Steuerbehörde eine Ermittlertruppe begründet haben, die ganz besondere Aufgaben wahrnahm. Seine "rogue unit" soll verdeckt ermittelt und sich dabei zu oft außerhalb der Gesetze bewegt haben.
Von gefälschten Dokumenten ist da die Rede, der Betrieb eines eigenen Bordells wurde zeitweilig behauptet, und irgendwann hätte die "rogue unit" begonnen, weit mehr zu ermitteln als nur Steuervergehen. Sie sollen im Auftrag des heutigen Finanzministers Bürger und politische Konkurrenten Gordhans bespitzelt haben, bis hin zu Präsident Jacob Zuma. Kurzum: Der damalige Steuerbehörden-Chef Gordhan habe eine Art eigenen Geheimdienst aufgebaut, der illegal operierte.
In bisher sechs offiziellen Untersuchungen wurden einige der Vorwürfe entkräftet - ein Bordell war der Steuerbehörde nicht nachzuweisen -, andere aber blieben hängen. Die Untersuchungen widersprechen sich zudem: Einige entlasteten den aktuellen Finanzminister und seine "rogue unit", andere bestätigten, dass die illegal gearbeitet habe und befürworteten eine Anklage.
Kein Wunder also, dass es niemanden gibt, der die aktuellen Gerüchte für unmöglich hielte. Was es gibt, sind Warnungen: Gordhans Verhaftung, ließ am Sonntag Südafrikas wichtigste Oppositionspartei Democratic Alliance (DA) verlauten, könne zu einem erneuten ökonomischen Desaster führen - es wäre eine Staatskrise.
Das Statement spielt auf den südafrikanischen Börsencrash vom Dezember 2015 an. Damals versetzte Präsident Zuma durch die unangekündigte Entlassung des damaligen Finanzministers Nhlanhla Nene, gefolgt von der erneuten Ersetzung des neuen Finanzministers David van Rooyen nach nur vier Tagen Amtszeit den Rand, Südafrikas Währung, in den freien Fall. Schätzungen zufolge verbrannten innerhalb weniger Tage rund 29 Milliarden Euro.
Das aber, warnt die DA nun, werde im Vergleich zu dem "ökonomischen Erdbeben", das mit der Verhaftung Gordhans verursacht werden könnte, nur wie eine "kleine Erschütterung" wirken.
Gordhan: So oder so Finanzminister mit Ablaufdatum? - Keine Frage: Gordhan ist angeschlagen, Gerüchte über seine Entlassung oder Verhaftung kursieren seit Monaten. Jetzt aber, berichtet die südafrikanische "Sunday Times", hätten die Hawks seine Verhaftung bei den Justizbehörden förmlich beantragt. Die Behörde bestätigte das am Sonntag indirekt: Luvuyo Mfaku, Sprecher der National Prosecuting Authority (NPA), bestritt zwar, dass eine Entscheidung zur Verhaftung bereits gefallen sei. Er bestätigte aber, dass "diese Frage noch untersucht" werde.
Sollte es zur Verhaftung des Finanzministers kommen, erwarten ANC-Kreise eine größere Regierungsumbildung. Gordhan könnte durch Brian Molefe ersetzt werden, spekuliert die "Times". Das Büro des Präsidenten - ein Äquivalent zum deutschen Kanzleramt - dementierte das bereits am Sonntagmittag. Man verurteile "Gerüchtestreuer", die Spekulationen über eine anstehende Kabinettumstellung in die Welt setzten. Weder im Finanz-, noch im Handelsministerium seien aktuell Veränderungen geplant.
David Maynier, Sprecher der Oppositionspartei DA, hält es für möglich, dass die ganze Affäre sogar "politisch motiviert" sei - eine Intrige innerhalb des ANC. Jacob Zuma könne versuchen, parteiinterne Konkurrenten zu neutralisieren. Die einzige Möglichkeit, zu verhindern, dass die Affäre um Gordhan zu einem zerstörerischen Desaster werde, sei, eine parlamentarische Kommission einzusetzen, die die Anschuldigungen gegen Gordhan und die "rogue unit" prüfe.
Zu den Personen, gegen die in der "unit"-Affäre ermittelt wird, gehört offenbar auch Gerrie Nel, der als scharfer Ankläger gegen Oscar Pistorius weltweite Bekanntheit erlangte. Egal, ob es zur Verhaftung oder parlamentarischen Prüfung kommt. Spätestens dann wird die Welt aufmerksam zusehen.