WELT
Tötungsdelikte in Mexiko erreichen Rekordhoch
Baku, 22. November, AZERTAC
Silvestre de la Toba Camacho hat keine Chance. Ein bewaffnetes Kommando eröffnet das Feuer auf seinen Geländewagen, als der Leiter der örtlichen Menschenrechtskommission gerade mit seiner Familie in La Paz im Bundesstaat Baja California Sur unterwegs ist. Der Ombudsmann und sein Sohn sterben im Kugelhagel, seine Frau und seine Tochter werden verletzt ins Krankenhaus gebracht.
Camancho ist eines der jüngsten Opfer einer beispiellosen Gewaltwelle, die derzeit Mexiko überrollt. Etwa alle 15 Minuten wird in dem lateinamerikanischen Land ein Mensch getötet. Allein im Oktober registrierte das Innenministerium 2764 Tötungsdelikte - davon 2371 Untersuchungen wegen Mordes, so viel wie noch nie in einem Monat seit Beginn der systematischen Erhebung vor 20 Jahren. Zum Vergleich: In Deutschland wurden im gesamten vergangenen Jahr 876 Menschen Opfer von Mord und Totschlag.
Schon jetzt ist 2017 das blutigste Jahr in der jüngeren Geschichte - und in der Statistik fehlen noch zwei Monate. Seit Jahresbeginn wurden in Mexiko 23.968 Menschen Opfer von Mord und Totschlag. Die Zahl der Morde gab das Ministerium mit 20.878 an - im Schnitt sind das 69 pro Tag.
"Und das sind nur die Fälle, von denen wir wissen", sagt Francisco Rivas, Leiter der auf Sicherheitsthemen spezialisierten Organisation Observatorio Nacional Ciudadano. "Dazu kommen die vielen Menschen, die einfach verschwinden und von denen man nie mehr etwas hört." Mehr als 30.000 Menschen gelten in Mexiko als vermisst.
Die aktuellen Zahlen übersteigen sogar jene der blutigsten Periode im Drogenkrieg während der Amtszeit von Präsident Felipe Calderón (2006-2012), der Tausende Soldaten und Polizisten in den Kampf gegen die Verbrechersyndikate schickte. Das bislang gewalttätigste Jahr war 2011 mit 22.852 Tötungsdelikten. Bis 2015 gingen die Zahlen etwas zurück, dann stiegen sie wieder kräftig an.
Zahlreiche Festnahmen und Tötungen mächtiger Kartellbosse hatten zuletzt Machtkämpfe innerhalb der Verbrechersyndikate entfacht. Außerdem konkurrieren zunehmend auch kleinere Banden um Geschäftsanteile und Einflusszonen. Neben dem Drogenhandel sind die Kartelle auch in Schutzgelderpressung, Menschenhandel und Benzindiebstahl verwickelt.