WELT
Warum Wölfe unsere Freunde wurden
Baku, den 5. Dezember (AZERTAG). Die Jagd- und Hausgemeinschaft von Hund und Mensch ist mindestens 19.000 Jahre alt, und das freundliche Raubtier an unserer Seite wohl das erste von Menschen domestizierte Tier. Das war ohne jede Frage eine Leistung - allerdings nicht nur unsere, behauptet eine neue Studie.
Die Veterinärmedizinerinnen Friederike Range und Zsófia Virányi von der Uni Wien argumentieren in ihrer im Magazin „Frontiers in Psychology“ erschienenen Studie, dass Wölfe die Voraussetzungen für die uralte Partnerschaft mit dem Menschen wohl mit in die Beziehung brachten. Denn die fuße auf einer schon Wölfen angeborenen Fähigkeit zum Lernen durch Beobachtung. Sie lernten im sozialen Verbund - und nicht nur von Artgenossen, sondern auch von anderen Tieren oder eben Menschen.
In Experimenten, in denen Wolfsjunge sowohl Menschen als auch Hunde beim Verstecken von Leckerchen an bestimmten Punkten in einem Testgelände beobachten konnten, wiesen sie nach, dass die Welpen die Handlungen genau beobachteten, nachvollziehen und für sich nutzen konnten. Statt also im Anschluss an die Beobachtung der eigenen Nase nachzugehen, suchten sie zuerst da, wo die „Verstecker“ tätig geworden waren. Wölfe, die Menschen beim Verstecken von Nahrung zugesehen hatten, fanden die Happen mit doppelter bis vierfacher Wahrscheinlichkeit gegenüber einer eigenständigen Suche.
Mehr noch: Die Welpen fielen weder darauf herein, wenn Menschen das Verstecken nur simulierten, noch interessierten sie sich sonderlich für das Versteckte, wenn sich auch der Hund wenig dafür interessiert hatte. Das deutet darauf hin, dass sie zum einen äußerst aufmerksam beobachten, zum anderen aber soziale Signale „lesen“ und verstehen können.
Wie füreinander gemacht - Es könnte also sein, dass wir offene Türen einrannten, als wir damit begannen, den Vierbeinern etwas beibringen zu wollen. Die begriffen schon durch Beobachtung, welche unserer Handlungen für sie vorteilhaft waren - und bald auch, was wir in verschiedenen Situationen von ihnen wollten.
Die Koordination gemeinsamer Handlungen wie beispielsweise bei der Jagd könnte dadurch merklich erleichtert worden sein. Es deutet zudem darauf hin, dass es zu einem sich selbst verstärkenden Effekt kam, weil die Tiere nicht nur vom neuen Partner Mensch lernten, sondern durch Beobachtung des Verhaltens gezähmter Artgenossen auch voneinander - ein Effekt, den sich bis heute beispielsweise Schäfer beim Abrichten von Hütehunden zunutze machen.
Man geht davon aus, dass die Domestizierung von Wölfen zu Hunden vor 19.000 bis 32.000 Jahren mit der Zähmung von Tieren einer inzwischen ausgestorbenen Art europäischer Grauer Wölfe begann. Noch nicht hinreichend geklärt ist bisher, in welchem Maße die Kommunikationsfähigkeit zwischen Hund und Mensch antrainiert wurde oder eben schon den Wölfen eigen war. Die aktuelle Studie deutet darauf hin, dass Mensch und Wolf sich quasi gesucht und gefunden haben - der eine hatte etwas mitzuteilen, der andere die Fähigkeit zu verstehen.