WELT
Wer andere ausschließt, leidet auch selbst
Baku, den 6. März (AZERTAG). Depressionen oder Angststörungen können die Folgen permanenter Ausgrenzung sein. Doch auch Täter leiden offenbar unter ihrem asozialen Verhalten, zeigt eine Studie. Demnach geht es Menschen vor allem nahe, wenn sie aus Opportunismus mobben.
In der Schule, am Arbeitsplatz oder im Sportverein - in allen Bereichen des Alltags kommt es vor, dass Gruppen Einzelne ausgrenzen. Offenbar sind es aber nicht nur die Opfer des Mobbings, die dadurch leiden: Auch Täter, vor allem Mitläufer, die der Stigmatisierung aus sozialem Druck folgen, schaden damit offenbar ihrer Psyche, berichten Forscher im Fachmagazin „Psychological Science“.
„Der Mensch ist ein soziales Tier“, sagt Nicole Legate von der University of Rochester im US-Bundesstaat New York. „Typischerweise sind wir empathisch und vermeiden es, anderen zu schaden, solange wir uns nicht bedroht fühlen.“
152 Studenten spielten in der Untersuchung der Wissenschaftler das Computerspiel Cyberball. Dabei warf sich je ein Proband mit zwei virtuellen Mitspielern einen Ball zu, wusste allerdings nicht, dass seine Mitspieler computergesteuert waren und entweder auf faires oder unfaires Verhalten programmiert.
Die Wissenschaftler verglichen mehrere Spielvarianten. Im Ausgrenzerszenario spielte der eine Computer dem anderen den Ball nahezu gar nicht zu. Die Studenten wurden angewiesen, sich diesem Verhalten anzupassen und den dritten Mitspieler so vom Spiel auszugrenzen. In einer Vergleichsgruppe ließen die beiden Computer die Studenten nicht mitspielen. Vor und nach dem Spiel füllten die Probanden einen Fragebogen zu ihrer Stimmung, ihrem Autonomie- und Zugehörigkeitsgefühl sowie zur Einschätzung ihrer Fähigkeiten aus.
„Auch wenn sie keine sichtbaren Wunden hinterlässt, aktiviert Ausgrenzung die gleichen Schmerzmechanismen im Gehirn, wie körperliche Gewalt“, sagt Legates Kollege Richard Ryan. Andere aufgrund äußerer Umstände auszugrenzen, wirke auf die Täter gleichermaßen entmutigend wie auf die Opfer - nur aus anderen Gründen: Jene Probanden, die andere auf Anweisung ausgrenzten, schämten sich anschließend und fühlten sich schuldig. Ihr Unabhängigkeitsgefühl sei abgemindert und ihr Gefühl, dazuzugehören, beschädigt worden.
Auf Anweisung grausam - In zwei weiteren Szenarien prüften die Wissenschaftler, wie sich die Teilnehmer fühlten, wenn sie niemanden ausgrenzten. Studenten, die über den Computer die Anweisung erhielten, den Ball beiden Mitspielern gleich oft zu zuspielen, fühlten sich stärker in ihrer Freiheit eingeschränkt, als Probanden, die spielen konnten, wie sie wollten. Kein Student aus diesen Gruppen hatte jedoch ähnlich negative Gefühle wie die Ausgrenzer oder Ausgegrenzten.
Die Studie unterstütze damit die sogenannte Selbstbestimmungstheorie der Motivation, schreiben die Forscher. Sie besagt, dass alle Menschen nach sozialer Integration sowie Kompetenz- und Autonomieerfahrung streben, weil sie sich dadurch glücklicher und zufrieden fühlen.
Gleichzeitig unterstreicht die Arbeit aber auch die negative Seite des sozialen Gefüges. Kaum ein Student weigerte sich, seinen Mitspieler auszugrenzen. Bereits Anfang der sechziger Jahre hatte der Psychologe Stanley Milgram gezeigt, dass die meisten Menschen unter Anweisung sogar bereit sind, ihre Mitmenschen mit Stromstößen zu misshandeln.
Was genau die Mitläufer von den Verweigerern unterscheidet, bleibt in beiden Studien offen.